Kardinal Schönborn: "Nicht in den Sack lügen"

Kardinal Schoenborn Nicht Sack
Kardinal Schoenborn Nicht Sack(c) Clemens Fabry
  • Drucken

Sonntagsspaziergang. Christoph Schönborn hat besondere Beziehungen zur Weinviertler BezirksstadtRetz. Auf seinem "Lieblingsweg" erlebt er die Nähe zur Landschaft und kann über seine Kirche nachdenken.

Zurück zu den Wurzeln.“ Der weiß gewandete Dominikaner steht im Hof des Klosters Retz. Er atmet durch: „Hier bin ich für alle nur der Pater Christoph.“ Nicht der Kardinal und nicht der Erzbischof von Wien. Schönborn legt auf seine Retzer Identität Wert.

Er war 16, als er zum ersten Mal in die Weinviertler Bezirksstadt kam – und gleichzeitig zum ersten Mal „ein Kloster von innen“ sah. Von da an kam er stets wieder, im Urlaub, manchmal nur für einige Tage. Als Professor in Freiburg (Schweiz) „konnte ich hier zurückkehren zur einfachen Seelsorge“. Damals wurde der Freundeskreis des Retzer Dominikanerklosters gegründet. Heute ist Schönborn Obmann dieses Vereins, der für Künstler, Intellektuelle und Ruhe Suchende das Gästehaus des Klosters geöffnet hat.

Auch in der vergangenen Woche war Christoph Schönborn im Dominikanerkloster, halb im Urlaub, gleichzeitig aber als Vortragender und Diskutant für 30 Seminaristen. Da hat er auch für seine alte ein- bis zweistündige Wanderung Zeit: vom Kloster in die benachbarten Weinberge und weiter zum Mittelberg. Kann man da die Sorgen des Alltags, die Sorgen der katholischen Kirche in Österreich hinter sich lassen? Den Ärger über manche Zustände in Kirche und Gesellschaft – denn auch ein Kardinal wird sich wohl ärgern können? Christoph Schönborn überlegt nicht lange. „Mich ärgert die Unwahrhaftigkeit, wenn man sich nicht traut, die Dinge beim Namen zu nennen aus möglichen Parteirücksichten und anderen ängstlichen Rücksichten.“ Denn, so der Kardinal: „Die Menschen vertragen die Wahrheit, es hilft nichts, sich in den Sack zu lügen.“

Wie verträgt sich das mit der großen Zahl von Pfarrern, die sich laut einer vor zwei Wochen publizierten Umfrage für ein Ende des Zölibats und für die Öffnung ihres Berufs für Frauen aussprechen? Befindet sich Schönborn da noch auf dem Boden der katholischen Wahrhaftigkeit? „Schau'n Sie, diese Befragung möchte ich nicht kommentieren, ich warte auf eine wissenschaftliche Auswertung. Sind 500 Befragte überhaupt repräsentativ?“ Zugleich hätte ihn in eben dieser Erhebung beeindruckt, dass die Berufszufriedenheit der Pfarrer sehr groß ist.

Schönborns „Lieblingsweg“ zieht sich durch die Weinberge hinauf zur Kümmerlkapelle. In der Weite des Landes könne er durchatmen, „ich liebe den Geruch des Lössbodens, den Geruch der Jahreszeiten. Im Sommer, wenn das Getreide reif wird, sind das Momente, die uns Menschen sehr an diese Erde binden.“ Diese Landschaft erlebe er „sehr komplementär“ zum Stephansplatz. „Der Stephansdom hat für mich eine sehr segensreiche Wirkung. Man wird selber klein, nicht nur durch die Größe des Doms, auch angesichts seiner Geschichte.“

Das Gespräch kehrt zurück zur Situation der Pfarrer und der größer werdenden Zahl an verwaisten Pfarren. Wie kommt Schönborn mit Pfarrer Udo Fischer aus Paudorf (Diözese St. Pölten) zurecht, der voll und ganz hinter den Ergebnissen der Umfrage steht und gemeinsam mit Helmut Schüller die österreichische „Pfarrer-Initiative“ gegründet hat? „Pater Udo ist ein Mann, der seelsorglich brennt, der durch und durch ein begeisterter Seelsorger ist.“ Im nächsten Atemzug folgt aber doch die Abgrenzung: „Er ist auch recht eigenwillig. In manchen Punkten würde ich ganz schön mit ihm zusammenkrachen – aber ich bin nicht sein Bischof und nicht sein Abt.“

Radfahrer, die von der Retzer Windmühle herunterradeln, erstarren fast, als sie in dem Mann in der weißen Dominikanerkutte den Kardinal aus Wien erkennen. War Schönborn eigentlich durch seine (adelige) Herkunft von Beginn an für ein hohes Kirchenamt bestimmt? Er ist der achte Bischof in der Familiengeschichte und der dritte Kardinal. „Das ist schon bewegend.“ Aber geplant habe er sein Amt nicht. Seine Mutter sei mit den Kindern 1945 als Vertriebene nach Vorarlberg gekommen, habe dort als Sekretärin gearbeitet, um die Familie durchzubringen. Dass er in den Dominikanerorden eingetreten ist, sei „das Erlebnis einer lebendigen Pfarrgemeinde in Vorarlberg“ gewesen.

Und wie ist das mit seinem guten Verhältnis zu Papst Benedikt XVI.? Er war schließlich auch 1972/73 in Regensburg einer seiner Lehrer? „Ich bin nicht ermächtigt, über ein gutes Verhältnis zu sprechen.“ Doch seine Verehrung, Freundschaft und Verbundenheit zu Benedikt XVI. gehe tief. „Ich glaube sagen zu können, dass etwas Vergleichbares auf seiner Seite ist.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.